50 Jahre War Requiem von Benjamin Britten

Am 30. Mai 1962 wurde die neue Kathedrale von Coventry eingeweiht. Das Bauwerk sollte als Symbol internationaler Versöhnung dienen; seine Einweihung feierte man mit einem dreiwöchigen Festival der Musik und der Künste, für das das War Requiem dem Komponisten Benjamin Britten in Auftrag gegeben worden war.

Britten, ein Leben lang vom Pazifismus geprägt, ergriff die Gelegenheit, das Werk nicht nur als Requiem für die Verstorbenenen, sondern auch als Parabel für die Überlebenden zu schreiben. Als Parabeltexte wählte er Gedichte von Wilfried Owen über den 1. Weltkrieg. Nur wenige Menschen hatten Anfang der sechziger Jahre von Owen gehört, kaum jemand seine Gedichte gelesen, und es überrascht vielleicht, dass Britten keine Texte über den 2. Weltkrieg ausgewählt hatte – zumal die neue Kathedrale als Symbol der Versöhnung eher mit diesem als mit dem ersten Weltkrieg in Verbindung gebracht wurde. Aber der zweite Weltkrieg hatte keine Kriegsdichter von der Bedeutung eines Siegfried Sassoon, Robert Graves oder Wilfried Owen hervorgebracht. Deren Erfahrung mit körperlichen Qualen erzeugte genau jene Art lebendiger, manchmal grauenhafter poetischen Eindrücke, die einen Komponisten inspirieren und als Argument für den Pazifismus dieen. Nicht dass Wilfried Owen ein Pazifist im Sinne Brittens gewesen war: Jener hatte als Infanterieoffizier im 1. Weltkrieg gekämpft und war mit dem Military Cross ausgezeichnet worden, beschrieb sich selbst jedoch als „Kriegsdienstverweigerer mit einem furchtsamen Gewissen“. Seine Dichtung schildert auf verstörende Weise das Entsetzen und die Qualen des Krieges aus erster Hand. Abgesehen von Owens Dichtkunst fühlte sich Britten vielleicht auch deshalb zu dessen Texten hingezogen, weil dieser 1918 in Frankreich gefallen war, im Alter von nur 25 Jahren – dem Alter, in dem Britten den Ausbruch des 2. Weltkrieges erlebte. (Text: John Evans, aus d. Engl. von Elisabeth Kübler; Quelle: CD-Textheft, hänssler CLASSIC)